Hubert Haensel wurde im Jahr 1952 in einer kleinen Stadt im Fichtelgebirge geboren und lebt heute noch dort. Den Wind der großen weiten Welt lässt er sich gern im Urlaub und natürlich in seinen Romanen um die Nase wehen.
Nach dem Gymnasium absolvierte er eine Lehre als Bankkaufmann. Vierunddreißig Jahre lang arbeitete er in nahezu allen Sparten eines genossenschaftlichen Kreditinstituts. Schon bald nach den ersten Berufsjahren fing er an, seine Freizeit mit dem Schreiben von Romanen zu verbringen. Seit dem Jahr 2002 schreibt er hauptberuflich für die größte Science-Fiction-Serie der Welt, für Perry Rhodan.
Hubert ist verheiratet und hat zwei erwachsene Töchter.
01) Hubert, gleich zu Beginn unseres Email-Interviews stelle ich Dir die Frage aller Fragen: Wie wurdest Du Autor?
Das ist etwas, was ich nicht mit einem oder zwei einfachen Sätzen beantworten kann. Ich glaube, das Schicksal hat mich zum ersten Mal in die fragliche Richtung geschubst, als ich acht Jahre alt war. Damals fielen mir die ersten Piccolos der Comicserie Nick, der Weltraumfahrer in die Hände. Ich habe sie verschlungen und war begeistert von den schlanken Raumschiffen und den gigantischen Pilzwäldern auf der Venus.
Etwa zu der Zeit fing ich auch an, mich durch den utopischen Bestand einer Leihbücherei zu lesen. Das waren Bücher, die ich vor allem zur Winterzeit wöchentlich für meinen Vater ausleihen durfte. In einer der privaten Leihbüchereien, die es Anfang der 60er fast überall gab. Tausende Bücher standen in Regalen im Flur, in der Wohnküche und sogar im Schlafzimmer, die neuesten Ausgaben waren stets in Schränken untergebracht: ein faszinierendes Bild, an das ich heute noch gern zurückdenke. Zweifellos hat das mein Faible für Bücher geprägt; mein Arbeitszimmer sieht ähnlich aus.
Später, während meiner Zeit auf dem Gymnasium, waren es vor allem die Hefte der Terra-Reihe, die ich mir regelmäßig kaufte – und ab Band 209 der Erstauflage auch Perry Rhodan. Weitere Science-Fiction-Serien kamen hinzu. Das alles weckte mein Interesse an Raumfahrt, Astronomie und den damit zusammenhängenden Themen. Während der Schulzeit begann mein Traum, selbst einmal Romane zu schreiben. Ohnehin las ich damals sehr viel, nicht nur SF, sondern auch Fantasy- und Abenteuerromane. Nahezu alle Karl-May-Bücher habe ich ebenfalls verschlungen.
Tja, und dann kam jener verhängnisvolle Tag, an dem ich mich entschloss, mich bei einem Storywettbewerb zu beteiligen. Ein Science-Fiction-Thema, natürlich. Mit meiner Kurzgeschichte Mentalität gewann ich den zweiten Preis.
Das war schon ein etwas stärkerer Schubs des Schicksals. Was blieb mir anderes übrig, als mich an die Schreibmaschine zu setzen (es gab noch keinen PC) und ein langes Romanmanuskript zu schreiben? Gesehen hat es außer mir niemand, denn als ich damit fertig war, konnte ich die Mängel darin selbst aufspüren.
Erst ein drittes Manuskript schickte ich wirklich ein. Einige Monate vergingen, bis ich es per Post zurückbekam. Meine anfängliche Enttäuschung schlug allerdings schnell in Freude um, als ich das Begleitschreiben des Lektors las. Ich sollte mich mit ihm in Verbindung setzen und das Manuskript kürzen, weil es für ein Romanheft zu umfangreich geworden war. Dieser erste Roman erschien 1978 in der SF-Reihe Terra Astra unter dem Titel Das Geisterschiff.
02) Fiel Dir die Entscheidung, Autor zu werden, leicht?
Ich wollte es nicht anders. Genauer gesagt: Diese Entscheidung stellte sich mir anfangs nicht in dieser Weise.
Zum einen war ich inzwischen seit einigen Jahren verheiratet und meine bessere Hälfte hatte schon die ersten schriftstellerischen Gehversuche akzeptiert. Zum anderen schrieb ich nur nebenher, sozusagen als Hobby und Stressausgleich. In der Tat, Stress hatte man als Bankkaufmann schon in den achtziger Jahren des letzten Jahrtausends, wenn auch nicht wie heute als Folge ausufernder Bürokratie.
Auf einem anderen Blatt steht, dass ich sehr schnell Stammautor bei Atlan und Mythor wurde und demzufolge durchaus monatlich einen Roman verfasste. Das wurde vor allem möglich, weil meine Frau nach der Geburt unseres ersten Kindes zuhause blieb und mich unterstützen konnte. Wir haben zu jener Zeit in eine neue elektrische Typenradmaschine investiert. Nachts, wenn unsere Tochter schlief, schrieb meine Frau im Wohnzimmer mit dieser Schreibmaschine meine korrigierten Manuskriptseiten ins Reine, während ich in der Küche auf der gewohnten mechanischen Olympia die neuen Texte hackte. Das führte bald dazu, dass ich jede fertige Seite sofort nachbearbeitete und korrigierte, weil Gudrun schon hinter mir stand, mir über die Schulter schaute und Nachschub verlangte. Das Familienleben blieb also gewahrt.
Die Entscheidung, hauptberuflich Autor zu werden, barg schon mehr Brisanz. Das war im Jahr 2002. Da hatte ich immerhin bereits 24 Jahre schriftstellerische Erfahrung und auch in Genres wie Krimi, Horror und Seeabenteuer geschrieben. Außerdem war ich inzwischen Stammautor bei Perry Rhodan.
Meine Frau redete mir sogar zu. Das liegt mittlerweile dreizehn Jahre zurück. Ich habe diesen Schritt nicht bereut.
03) Viele Menschen glauben immer noch, dass Künstler das Leben eines Bohémiens führen. Wie sieht Dein Arbeitsalltag wirklich aus?
Gefragt sind Disziplin und eine vernünftige Zeiteinteilung, denn das süße Leben liegt tatsächlich gefährlich nah. Als Bankkaufmann war ich es gewohnt, morgens um 7.45 Uhr am Arbeitsplatz zu sein – und abends keineswegs pünktlich um 17.00 Uhr alles fallen zu lassen. Im Immobiliengeschäft war es unerlässlich, nach Feierabend Termine zu vereinbaren, und das galt ebenso fürs Kreditgeschäft. Von Schriftstellern behauptet man salopp, sie könnten bis Mittag schlafen und anschließend würde es genügen, zwei, drei Stunden am PC zu sitzen. Das sind Märchen. Natürlich benötigt jeder einen mehr oder weniger großen Zeitaufwand für Recherchen, und beim Lesen darf man es sich durchaus mal bequem machen. Aber kein Text schreibt sich von selbst, und irgendwann muss jedes Manuskript abgegeben werden – schon aus egoistischen Gründen, will der Autor nicht eines Tags verhungern.
Das heißt, ich sitze früh schon vor 8 Uhr am PC, erlaube mir meist nur eine ganz kurze Mittagspause und arbeite bis gegen 18 Uhr. Spätestens nach der Tagesschau sitze ich wieder am Schreibtisch, weil es dann ruhiger wird: kein Telefon mehr; keine unerwarteten Besucher; niemand, der irgendwas von mir will. Da können die Gedanken endlich frei fließen. Letztlich führt das nicht selten dazu, dass ich einen Tag und eine Nacht lang komplett durcharbeite. Umso schöner wird der Tag Freizeit, den ich mir dann genehmige, wenn ein Manuskript fertig und abgegeben ist. Nun ja, eigentlich blieb vorher genug liegen, das auch erledigt werden will.
Schriftsteller ist also ein Beruf wie jeder andere: Vom Nichtstun wird nichts!
04) An welchem Projekt arbeitest Du gerade?
Mein Jahr ist gut ausgefüllt mit der Arbeit für Perry Rhodan. Da sind die Heftromane der Erstauflage, die mittlerweile fast bei Band 2800 angelangt sind. Diese Zahl muss man sich wahrhaft auf der Zunge zergehen lassen. Seit dem 9. September 1961 erscheint Woche für Woche ein Heftroman. Natürlich arbeiten wir im Team und sind zumeist um die zehn Autorinnen und Autoren. Wenn dieses Interview erscheint, schreibe ich wohl schon an einem Perry-Rhodan-Heftroman gleich am Anfang des neuen Zyklus nach Band 2800.
Im Augenblick arbeite ich am Manuskript für einen Perry-Rhodan-Silberband. Das ist ein Hardcover mit rund 400 Seiten. Das Buch trägt bereits die Nummer 131, wir haben hier also die Karl-May-Bücher zahlenmäßig längst überrundet.
Unsere Leser und Fans und natürlich wir selbst nennen diese Hardcover Silberbände wegen ihrer äußeren Gestaltung. Vier Bücher erscheinen jährlich. Es sind keine neu geschriebenen Geschichten, vielmehr werden die Romane der Perry-Rhodan-Serie mehr oder weniger stark überarbeitet und zusammengefasst. Seit Buch 81 trage ich dafür die Verantwortung. Ein toller, komprimierter Lesestoff, der das Perry-Rhodan-Flair ins Buch bringt.
Manuskripte für die Erstauflage, die vier Bücher sowie hin und wieder ein Sonderprojekt füllen mein Arbeitsjahr aus.
Knapp zwanzig Jahre lang war ich zudem für die vierwöchentlich erscheinenden Risszeichnungen sowie den Perry-Rhodan-Report verantwortlich. Beides habe ich jedoch im Jahr 2014 an meinen Kollegen Rüdiger Schäfer abgegeben. Das hatte zeitliche Gründe.
05) Der PC ist ein wichtiges Werkzeug für Autoren. Dazu kommt noch das Internet. Diskussionsforen, Webseiten, Blogs und „Datenbanken“ wie Wikipedia sind für viele unentbehrlich geworden. Wie stark nutzt Du für deine Arbeit das Internet?
Das Internet ist für Recherchezwecke nahezu unentbehrlich geworden. Ich denke da zum Beispiel an den laufenden Regalmeter Fachliteratur über alte Segelschiffe und übers Segeln an sich, die ich allein für meine Seeabenteuer als Nachschlagewerke benötigt habe. Es war teils aufwendig und zeitraubend, Sekundärliteratur zu besorgen. Die Recherche im Internet geht zumeist schneller voran.
Für Perry Rhodan gibt es ein eigenes Werk von Fans für Fans: die Perrypedia. Aufgebaut nach dem Wikipedia-Prinzip, ist das ein sehr umfangreiches Lexikon für Perry Rhodan und natürlich eine Fundgrube für uns Autoren. Immerhin brauchen wir ein Datenwissen, das sich in beinahe schon 55 Jahren angesammelt hat.
Natürlich bringt mir das Internet auch die Möglichkeit, mit Fans zu diskutieren.
Aber darüber hinaus halte ich mich von vielem fern, was nicht unbedingt sein muss. Ich meide jedenfalls diese Art von Zeiträuber. Dem Trend, alle zehn Minuten über Facebook oder Twitter zu posten, was ich gerade denke, lese oder esse, verschließe ich mich. Dafür wäre mir meine Zeit zu schade. Und ganz ehrlich: Wen interessiert so etwas?
06) Wir leben in einer sich immer schneller verändernden Welt. Wie gehst Du mit diesen Veränderungen um?
Als Science-Fiction-Autor sollte ich eigentlich auf alle denkbaren Veränderungen vorbereitet sein. Zugleich weiß ich aber auch, dass die Realität schlimmer sein kann als die blühendste Fantasie.
Ich picke mir aus den Veränderungen heraus, was mir als sinnvoll erscheint, was mir in irgendeiner Weise helfen oder mich unterstützen kann. Deshalb hatte ich sehr schnell einen PC, als diese einigermaßen erschwinglich wurden, und habe meine mechanische Schreibmaschine eingemottet.
Auch warte ich sehnsüchtig auf einige Erfindungen, die leider noch nicht zur Verfügung stehen. Eine Brennstoffzelle für meine Heizung, fürs Auto ebenfalls, wäre so eine Veränderung.
Und was die moralischen, ethischen oder auch menschlichen Veränderungen anbelangt, die wohl zu einem unserer größten Probleme mutieren werden: Ich fühle mich als Terraner! Alles andere bringt uns auf diesem Planeten nicht mehr weiter, sondern nur immer dichter an den Abgrund heran.
07) Gibt es einen Traum, den Du Dir erfüllen möchtest?
Dieser Traum hat leider eine Vorbedingung: Ich muss im Lotto gewinnen, und zwar eine größere Summe. Dann würde ich gern ein paar Tage Studienaufenthalt im Erdorbit verbringen. Das wäre zumindest ein ganz kleiner Hauch Weltraumfeeling.
08) Zum Abschluss möchte ich Dir eine ganz persönliche Frage stellen: Was hast du vom Leben gelernt?
Dass man gar nicht erst versuchen soll, Probleme auszusitzen, sondern zupacken und das Beste daraus machen.
Ganz davon abgesehen müssen wir uns immer vor Augen halten, dass wir Menschen nicht der Mittelpunkt des Universums sind. Die Erde ist nur ein unbedeutender kleiner Planet einer kleinen Sonne im vergleichsweise sternenarmen Randgebiet unserer Milchstraße. Und die Milchstraße ist nur eine von Milliarden Galaxien … Wie bedeutend sind also die Probleme, die wir uns auf diesem Planeten selbst bereiten?
Ganz hart ausgedrückt: Ob es die Menschheit gibt oder nicht, ist der Schöpfung nicht einmal ein Fingerschnippen wert. Umso mehr sollten wir uns anstrengen, das Gegenteil zu beweisen.
Ich bedanke mich für die Fragen und natürlich für das Interesse an meinen Antworten.
Mit herzlichen Grüßen
Hubert Haensel